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Darf ich eine Satire über den Tod schreiben? - von Sonja Wolfer inspiriert durch ein Skelett

Gedanken einer Autorin, deren Muse ein Skelett ist

Darf ich als Autorin Witze über den Tod machen?

Auch als Podcast-Episode in "Wolfohr lauscht dem Bösen"

Wolfohr lauscht dem Bösen findest du überall dort, wo es Podcasts gibt:

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© Sonja Wolfer

 

Ist meine Faszination von Friedhöfen Ausdruck meiner morbiden Persönlichkeit mit einem starken Hang zum Makabren? Bin ich vielleicht sogar von einer pathologischen Todes-Sehnsucht besessen?

 

Möglicherweise hast du dir die Fragen auch schon gestellt, wenn du mir zum Beispiel auf den Social-Media-Kanälen folgst.

 

Das sind berechtigte Fragen, denn schließlich begleitet mich - neben dem Skelett, mit dem ich geboren wurde - seit einiger Zeit ein weiteres Skelett durch mein Leben, meine Muse Paul-Paulina.

Und als ob es damit nicht schon genug wäre, schreibe ich nicht nur im Krimi-/Thriller-Genre, sondern arbeite seit Sommer 2022 an meinem satirischen Fantasy-Roman "Der Gottesacker".

 

Ganz richtig - Gottesacker! Ein sehr alter Friedhof, auf dem sich vor vielen Jahren etwas zugetragen hat, das das Leben der Toten  und der Lebenden in der Gegenwart des 21. Jahrhunderts grundlegend erschüttern wird.

 

Das Leben der Toten?

Ja, du hast richtig gelesen! Wie unter anderem in einem sehr bekannten, sehr alten und sehr dicken Bestseller bereits in vielfältig metaphorischer Weise dargelegt, geht es nach dem Tod weiter. Und nicht nur die Autoren dieses bemerkenswerten Buches haben sich ganz diesem transzendenten Thema gewidmet. 

 

Auch ich beschäftige mich - in aller Bescheidenheit natürlich - mit dieser Thematik, denn sie ist existenziell. Oder etwa nicht? Nichts ist so sicher wie der Tod! Das ist ein Fakt, ob es uns passt oder nicht. 

 

Und mir passt die Tatsache, dass wir alle irgendwann sterben müssen, n i c h t.

Das interessiert jedoch niemanden. Auch ich werde eines Tages gehen und all die verlassen müssen, die ich liebe und mag. Und leider bin ich auch schon verlassen worden - eine Erfahrung, die nach vielen Jahren immer noch schmerzt und für mich nicht zu fassen ist.

 

Tatsache ist, ich habe einen Heidenrespekt vor dem Tod - schönes Wortspiel ;).

Auch vor dem Sterben, gewiss. Doch der Gedanke, dass mit dem letzten Atemzug alles zu Ende sein soll, der lässt mir schon zu Lebzeiten das Blut in den Adern gefrieren. Das ist definitiv ein sehr beunruhigender Gedanke. 

 

Denn ich liebe das Leben, mit all seinen Höhen und Tiefen. Du auch?

 

Und nun? Gehe ich deshalb auf Friedhöfen spazieren, um mich schon einmal zu akklimatisieren? Sitzt bei mir zu Hause ein Skelett im Ohrensessel, damit ich nicht ganz so überrascht bin, wenn der Zeitpunkt kommt - im Sinne des berühmten memento mori? Lasse ich Menschen in meinen Büchern sterben, um dem Tod seinen berühmten Stachel zu nehmen, nach dem Motto, ich kenn dich schon und habe sogar die Kontrolle über dich?

 

Vielleicht steckt in all dem ein bisschen Wahrheit ...

 

Doch Fakt ist,

Humor und Fantasie

sind zwei wunderbare Geschenke,

die uns Menschen gegeben wurden,

Unfassbares in Worte zu fassen,

sich damit zu beschäftigen

oder auch Distanz dazu zu gewinnen.

 

So gehe ich gerne auf Friedhöfen spazieren: Dort finde ich Natur, Frieden und Inspiration, um sowohl Makabres als auch Humorvolles miteinander in einer Geschichte zu verbinden.

 

Und deshalb sage ich: 

Ja, selbstverständlich darf ich eine Satire über den Tod und die Vorstellung eines Lebens nach dem Tod schreiben!

 

Auszug aus meinem satirischen Fantasyroman

 

Here you are

Aus: Der Gottesacker:

 

Die Würde der Verstorbenen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller Einwohner der Friedhofsgemeinde. Es gilt der Gleichheitsgrundsatz: Gleiche Rechte und Pflichten gelten für Verstorbene aller Bestattungsarten.

 

Das Verlassen der Grabstätten – unabhängig von der Bestattungsart – ist innerhalb der Öffnungszeiten des Friedhofs zwischen 7 Uhr morgens und 20 Uhr abends nicht gestattet.

 

Friedhofssatzung - Friedhofsverwaltung Exitus

 

»Mein Gott, war das heiß heute Nacht!«, klang es dumpf aus der Tiefe.

Die Gestalt betrachtete die schwarze Marmorgrabplatte, die die Strahlen der Abendsonne reflektierte. Vorsichtig trat sie einen Schritt von dem Grab zurück.

»O, da kommen Erinnerungen hoch ...«, tönte es aus dem Grab nebenan. »Mit über eintausend Grad waren die Temperaturen heute Nacht jedoch gewiss nicht zu vergleichen, Frau Baga. Lassen Sie sich dessen versichert sein.«

Zeit, sich weiter zurückzuziehen. Die Gestalt verbarg sich lautlos hinter einem dichten Busch.

»Ach Sie wieder, Herr Brenzel!«, antwortete missmutig die dunkle Marmorplatte, die mit einer einzelnen Blumenschale beschwert war. Die vertrockneten Vergissmeinnicht zitterten, als die Schale langsam zur Seite rutschte und mit einem Plumps neben der Grabeinfassung landete. Die Gestalt sah die Endglieder einer knöchernen Hand sich aus dem Grab heraus zwischen Marmorplatte und die Umrandung schieben. Nach und nach krallten sich die restlichen Glieder der Hand um die schwarze Grababdeckung und schoben diese mit einem Ruck zur Seite.

Die Gestalt hinter dem Busch grinste, als das Skelett einer alten Frau mühsam aus der Grube herauskletterte und sich mit einem tiefen Seufzer auf dem Grabstein niederließ. Ein Sonnenstrahl fand seinen Weg durch das fehlende rechte Jochbein und leuchtete sanft das Innere des Schädels der Alten aus.

Yaba Baga – verstorben 1862 – drehte ihren Schädel in Richtung des Nachbargrabes. »Herr Brenzel, ihre tragische Geschichte ist uns allen hinreichend bekannt! Es besteht keine Notwendigkeit, dass Sie die Friedhofsgemeinde immer wieder darauf hinweisen.«

Herr Brenzel unter der kleinen Bronze-Platte im Beet der benachbarten Ruhestätte hüllte sich in Schweigen.

»Florian, nun zieren Sie sich nicht so!«

»Für Sie immer noch Herr Brenzel, Frau Baga!« Die Gestalt sah, dass der Rosenstrauch neben Herrn Brenzels Platte ins Wanken geriet.

Na, das versprach doch ein amüsantes Schauspiel. Die Gestalt machte es sich hinter den Zweigen des Busches bequem und beobachtete Rosemarie Brenzel, geborene Demetria, die aus der Erde hervorkroch. Sorgsam schob sie mit ihrer beachtlichen Beckenschaufel die Erde unter den Rosenstrauch und harkte sie mit den Fingerknochen gewissenhaft zu einer glatten Fläche.

Ohne Frau Baga weiter zu beachten, klopfte sie auf die Grabplatte ihres Gatten. »Florian, es wird Zeit! Sieh zu, dass du frische Luft bekommst.«

»Ist es sehr windig?«, hörte die Gestalt Herrn Brenzels Stimme erneut gedämpft aus der Tiefe. »Es sind Gewitter für diese Nacht angekündigt. Wenn es stürmisch wird, bekommt mir das Wetter nicht.«

Yaba Baga konnte es offenbar nicht lassen. »Ganz richtig, Herr Brenzel!« Kurzer Blick zu Rosemarie. »Ich spür’s in meinen alten Knochen. Das wird was geben! Bekommen Sie dann etwa Kopfschmerzen, Sie Armer?« Gackernd schlug sie sich die Hand vor den Schädel. »Ah – nein! Wie unachtsam von mir! Das ist ja nun wirklich nicht ihr Problem.«

»Sie wissen ganz genau, dass mein Mann schnell einmal von einer Böe erfasst wird«, empörte Rosemarie sich laut klappernd.

»Und dann werde ich in alle Windrichtungen geweht und finde mich gar nicht mehr zurecht!«, klagte die blasse Aschewolke, die unter der kleinen Grabplatte hervorschwebte und sich zu einer bedrückt dreinblickenden Männergestalt formte.

Herrlich!

»Nun – die hellste Kerze auf der Torte sind Sie wahrhaftig nicht!«

Das war nun eine boshafte Bemerkung der alten Yaba Baga, war der Nachbar doch Jahre zuvor bei einem Wohnungsbrand tragisch ums Leben gekommen. Ausgelöst hatte Florian Brenzel – zu Lebzeiten Inhaber eines Fachbetriebs zur Brandschutz-Vorbeugung – den Brand durch Funkenflug beim Ausblasen der fünfzig Kerzen seiner Geburtstagstorte.

Auch Rosemarie hatte das Unglück wegen einer Rauchvergiftung nicht überlebt, wie die Gestalt nur allzu gut wusste. Da ihre Verbrennungen  – zumindest was die Optik anging – nicht so gravierend waren, konnte ihr jedoch die gewünschte Erdbestattung ermöglicht werden. Florians verkohlter Körper hingegen war nicht nur aufgrund der eingebrannten aufblasbaren Fünfzig so unansehnlich gewesen, dass die Feuerbestattung das Mittel der Wahl war.

Ein reizvolles und sicher noch sehr nützliches Paar ...

»Doch wir sollten dankbar sein«, fuhr Frau Baga versöhnlich fort. »Sie haben eine Ruhestatt in der Erde, wie wunderbar! Das kann hier nicht jeder von sich behaupten.«

Diese Hexe!

Die drei Entschlafenen wandten ihre Köpfe dem Kolumbarium nahe der kleinen Friedhofskapelle zu und die Gestalt folgte ihren Blicken.

»Zudem hatten Ihre Hinterbliebenen das Glück, nur eine Erdbestattung finanzieren zu müssen. Ihre war ja nun deutlich günstiger, Herr Brenzel. Wie man hört, sollen die Geschäfte Ihrer Familie nicht mehr so gut laufen. Bei einer zweiten Erdbestattung wäre es finanziell sicher brenzlig geworden.« Scheinbar erschrocken hielt die Alte inne. »Ach Gott! Was habe ich denn da wieder gesagt«?

Offensichtlich sehr zufrieden mit dem Beginn des Abends wandte die alte Baga sich ab, um sich für ihr abendliches Bad vorzubereiten. Zu Lebzeiten jedoch schon von fürchterlicher Osteoporose geplagt, knickte sie um, verlor dabei einen ihrer Füße und fiel auf der linken Seite ihrer Grabstätte neben der Blumenschale in sich zusammen.

Das Ehepaar Brenzel ließ den Knochenhaufen links liegen und begab sich selbst zum nahegelegenen Reinigungsbrunnen. Wer konnte es ihnen verdenken!

 

 

 

 

Über deine Gedanken zu meinem Blogbeitrag und dem Auszug aus meinem Roman würde ich mich sehr freuen. Schreibe mir gerne einen Kommentar oder auch eine E-Mail. Ich bin gespannt!

 

 

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