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"Das Prinzip Mord": Echte Mordermittler:innen - von Sonja Wolfer

Wie sieht die Arbeit realer Mordermittler:innen tatsächlich aus?

"Das Prinzip Mord" von David Sarno und Sascha Lapp

© Sonja Wolfer

 

Zu Beginn meines Blog-Artikels geht ein herzliches Dankeschön an

David Sarno und Sascha Lapp sowie an den Emons Verlag für die Genehmigung, ihr Buch Das Prinzip Mord - Wahren Verbrechen auf der Spur sowie den gleichnamigen Podcast als Grundlage für diesen Artikel verwenden zu dürfen.

 

Ein Buch und ein Podcast, die sich lesen bzw. hören lassen wie ein Krimi: spannend und sehr informativ mit tiefen Einblicken in die komplexe und anspruchsvolle Arbeit von realen Mordermittler:innen. Ausschnitte und Fotos aus originalen Ermittlungsakten sowie Interviews mit verschiedenen Kriminalbeamten, die aus ihrem Arbeits-Alltag berichten, fesseln und informieren zugleich.

 

Im Mittelpunkt stehen nicht die Opfer oder Täter, sondern die Mordermittler:innen und deren Arbeit mit besonderem Blick auf die sogenannten Cold Cases.

Genau das interessiert mich als Krimiautorin sowie als Krimi- und Thrillerleserin und deshalb soll es in meinem ersten Blog-Artikel in der Reihe Wahre Verbrechen um folgende Themen gehen:

  • Leiter:innen einer Soko Mord 
  • Kriminaltechniker:innen
  • Cold Cases und die Rolle der DNA-Analyse

Weitere Blog-Artikel der Reihe Wahre Verbrechen demnächst mit diesen Themenschwerpunkten

  • Rechtsmediziner 
  • Streifenbeamte
  • IT-Kriminaltechniker
  • Wie arbeiten die Mordermittler:innen mit den Angehörigen eines Opfers?
  • Wie arbeiten die Mordermittler:innen mit den Täter:innen bzw. den Tatverdächtigen?
  • Mordermittler:innen: Mythen und Realität
  • Fazit einer Krimi-Autorin: Erkenntnisse, Fragen, zukünftige Recherchethemen

Wer sind die Mitglieder einer Mordkommission und was sind ihre Aufgaben?

Leitende Kriminalhauptkommissar:innen einer Mordkommission

Aufgaben der Leitung in der Sonderkommission - vorgestellt von  dem Ersten Kriminalhauptkommissar Wolfgang Metzger:

 

Das Prinzip Mord

 

"Interview: mit Mordermittler Wolfgang Metzger" (S. 237 - 253)

  • Eine Sonderkommission im Fall eines Tötungsdeliktes kann bis zu fünfzig Mitglieder umfassen.
  • Koordinierung und Strukturierung der Arbeitsprozesse dieser Mitarbeiter:innen aus den unterschiedlichen Abteilungen, Einarbeitung neuer Mitarbeiter:innen
  • Improvisation und Flexibilität sind dabei für einen Ermittler von großer Bedeutung.

    Da die Teammitglieder aus den unterschiedlichen Abteilungen für die dortige Arbeit nicht zur Verfügung stehen, erhöht sich der zeitliche Druck auf die Sonderkommission und insbesondere deren Leitung, ein Verbrechen schnell aufzuklären, entsprechend.

     

Ablauf einer Ermittlung

  • Opfer, Tatmittel, Täter, Tatort – das sind zunächst die zentralen Punkte, auf die sich der Fokus der Ermittler:innen richtet.
  • Erster Fokus der Kriminalbeamten sind die Lebensumstände bzw. das Umfeld der Vermissten oder Opfer: berufliches Umfeld, Freunde, Familie, Nachbarschaft usw.
  • Die Leitung einer Mordkommission nimmt gemeinsam mit dem Team am Tatort eine erste Einschätzung der Todesursache vor: "Unfall, ein Suizid [...] oder Fremdverschulden"?
  • Nach Feststellung eines Tötungsdelikts wird eine Sonderkommission gebildet.
  • Die Ermittler erreichen den Tatort gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Kriminaltechnik.
  • Die Kriminaltechniker betreten den Tatort jedoch zuerst, um falsche bzw. irreführende Spuren- sogenannte legale Spuren -  zu vermeiden.
  • Erst nach Freigabe des Tatorts durch die KTU verschaffen sich die Ermittler:innen einen sehr genauen Eindruck von dem Ort des Verbrechens. Der Leitung einer Mordermittlung dient dies unter anderem dazu, sich im Verlauf der Ermittlungen möglichst genau erinnern und die entsprechenden Maßnahmen ergreifen zu können.
  • Sowohl die KTU als auch die Ermittler tragen die komplette Schutzausrüstung: "weiße Ganzkörperanzüge und Gesichtsmaske". 
  • Die Sichtung des Tatorts kann sich über Tage erstrecken und pro Tag bis zu sechzehn Stunden am Tatort bedeuten.

  • Es gilt, sich in das Opfer und den Täter hineinzuversetzen.

     

Zeitrahmen von Ermittlungen:

Entscheidend sind die ersten zwei bis drei Tage. Hier sollte möglichst kein Fehler passieren, denn dieser könnte den Verlauf der weiteren Ermittlungen nachhaltig negativ beeinflussen. 

  • Mehrere Faktoren sind relevant: So spielen der »Druck seitens der Angehörigen oder der Öffentlichkeit«, sowie der technische Fortschritt –  wie die »Verkehrs- und Videoüberwachung«, die nur zwei, drei Tage gespeichert zur Verfügung stehen, eine zentrale Rolle.
  • Diese Anfangsphase versetzt das Ermittlungsteam in eine besondere Anspannung.

Die Vorgehensweise bei einer Mordermittlung erfolgt immer in Abstimmung der Leitung mit der Staatsanwaltschaft:

  • So erfolgt eine Festnahme einer tatverdächtigen Person bei ausreichenden Indizien. Sollten jedoch keine ausreichenden Beweise für eine Anklage gefunden werden, muss der Tatverdächtige wieder entlassen werden. 

Weitere Einsatzbereiche der Mordkommission: Hochwasser, Brände mit Todesopfern 

Kriminaltechniker:innen

Die Tatortarbeit der Kriminaltechniker:innen ist ein sehr diffiziler und langwieriger Prozess, der Sachkenntnis, Geduld und Verantwortungsbewusstsein voraussetzt.

 

  • Wenn der Tathergang und die Hintergründe noch unklar sind, ist eine Tatortarbeit von bis zu vierzehn Tagen nichts Ungewöhnliches.
  • Alles muss akribisch untersucht und festgehalten werden.
  • Vor zwanzig Jahren noch wurde alles Relevante fotografiert und 
  • jeder Gegenstand, jeder Raum etc. sehr genau beschrieben.
  • Heute ermöglicht die digitale Fotografie und teilweise auch Videoaufnahmen eine erleichterte Sichtung des Tatorts.

Interessant wäre aus meiner Sicht noch zu wissen, wie lange eine solche Arbeit an einem Tatort im Durchschnitt dauert, bis sie als abgeschlossen betrachtet werden kann.

  

Hier stelle ich nun einige Methoden der Arbeit der Kriminaltechniker:innen vor, die in folgenden Fällen Anwendung fanden:

 

Das Prinzip Mord 

"Tödliche Begegnung: Heike W., Plauen, Sachsen" (S. 13 - 28)

"Königsbrand: Constantin S., Götzingen, Baden-Württemberg" (S. 29 - 42)

"Vor dem inneren Auge: Nadine B., Vienenburg, Niedersachsen" (S. 43 - 58)

"Mordfall: Trixi Scheible: Beatrix S., Frankfurt (Main), Hessen" (S. 113 - 126)

"Liebesschwüre: Kaplan G., Karlsruhe, Baden-Württemberg" (S. 157 - 170)

"Der Friedhofsgärtner": Sabine N. und Julius, Frankfurt (Oder), Brandenburg" (S. 189 - 204)

  • Akribische Dokumentation der Fundstücke vom Tatort in der Ermittlungsakte: Die Ermittlungsakte enthält zum Beispiel ein Foto mit einem Schuh (Fundstück), daneben eine Tafel mit der Nummer des Fundstücks. In der Akte dokumentiert wird sowohl die Nummer der Spur, der dazugehörigen Tafel und die des Fotos.
  • Geruchsdifferenzierungshunde: In der damaligen DDR wurden Geruchsproben mit Mulltüchern genommen und anschließend speziell ausgebildeten Hunden -  sogenannten Geruchsdifferenzierungshunden - vor die Nase gehalten, um einen Täter bzw. eine Täterin finden zu können.
  • Trassologie: Es handelt sich um einen wissenschaftlichen Zweig der Kriminalistik: "[...] Lehre von den technischen Formspuren - Lehre von morphologischen, mechanisch entstandenen Spuren, wie Werkzeug- und Fabrikationsspuren, Schuhspuren, Reifenspuren, Passstücken" (Kriminalistik)
    Unter anderem können mithilfe von Simulationen von Tathergängen Spuren einer bestimmten Tat genau zugeordnet werden. 
  • Leiche an einer Brandstelle: Nach einem Großbrand untersuchen Kriminaltechniker die Brandstelle, um die Ursache des Brandes herauszufinden. Hier kommen unter anderem auch Brandmittelspürhunde zum Einsatz.
  • Wenn Brandstiftung ausgeschlossen werden kann, so wird die Brandstelle von der "Polizei wieder freigegeben". Die Brandruine kann dann beseitigt werden. Mögliche Spuren eines Mordfalls könnten dabei allerdings vernichtet werden. Zur Vermeidung wurde die Brandstelle im vorliegenden Fall von der Mordkommission  "beschlagnahmt", da man eine Leiche in der Brandruine vermutete.
  • Die Spurensicherung fand unter sehr erschwerten Bedingungen statt: In der Regel arbeiten die Kriminaltechniker mit "Pinsel und Pinzette", um "kleinste Spuren zu sichern".
  • Im vorliegenden Fall musste jedoch mit einem Bagger gearbeitet werden, der den Schutt "Stück für Stück" entfernte. Die Spurensicherer trugen statt der üblichen "weißen Ganzkörperanzüge blaue Arbeitskleidung und schwere Stiefel." Um Zeit einzusparen, wurde "jede Baggerschaufel per Hand mit einem Spaten" untersucht, um relevante Gegenstände zu finden. Nur diese wurden im Anschluss katalogisiert.
  • Zu den Fundstücken an der Brandruine zählten der Schädel des Opfers sowie weitere Knochenteile. Sogar sein Ohrstecker und das Projektil aus der Tatwaffe konnte in dem riesigen Schuttberg gefunden und damit die Todesursache geklärt werden.
  • Fundort einer Leiche im Schnee: Die Kriminaltechniker:innen konnten in einem der Fälle anhand einer von "Blut durchtränkten Fläche " und vieler "Blutspritzer" nahe der Fläche erkennen, dass der Tatort mehrere Meter entfernt war.   
  • Weitere Funde waren "Aschereste" sowie eine "Zigarette" mit Speichelspuren vom Opfer und einer "unbekannten männlichen Person". Weitere Erkenntnisse waren jedoch im Jahr 1981 noch nicht möglich.
  • Die spätere Entwicklung der DNA-Analyse half auch in diesem wie in den anderen Fällen, den Täter zu identifizieren, indem die Speichelspuren viele Jahre später einem Tatverdächtigen genau zugeordnet werden konnten.
  • Daktyloskopie - "Lehre von den Papillarleistenstrukturen und ihrer kriminalistischen Bedeutung und Verwertung" (Kriminalistik). Papillarleisten sind die charakteristischen Linien der Haut der Handinnenseite und der Fußsohlen, die zur Identifizierung einer Person führen. In dem in dem Buch beschriebenen Fall diente eine Kekspackung des Täters als Spurenträger, der daktyloskopisch untersucht wurde und zu seiner Identifikation führte.
  • Verwertbarkeit von Fingerabdrücken: Vor Gericht verwertbar ist nicht die Kopie eines Fingerabdrucks einer anderen Polizeibehörde etwa, sondern nur ein originaler Fingerabdruck.

 

Cold Cases - Welche Rolle spielt die DNA-Analyse?

Bei den Cold Cases haben reale Ermittler:innen tatsächlich einen langen Atem, zeigen sehr viel Geduld, teilweise über Jahrzehnte hinweg. Sie nutzen die sich weiter entwickelnden Untersuchungsmethoden, um solche Fälle aufzugreifen, und das wiederholt.

 

Eine entscheidende Rolle spielt dabei die DNA-Analyse, deren Entwicklung im Rahmen der Kriminalistik auf der Webseite des Deutschen Spionage Museums sehr gut nachvollziehbar wie folgt skizziert wird:

 

"Als Methode der forensischen Kriminaltechnik kam die DNA-Analyse im Rahmen einer Reihenuntersuchung an 5000 Männern erstmals 1987 zur Anwendung. Auslöser waren Ermittlungen an einem Doppelmord in England. Damals konnte auf Grundlage der DNA-Analyse sowohl ein unschuldig Verdächtiger entlastet als auch der Schuldige gefunden und letztlich verurteilt werden.

Seit den frühen 1990er-Jahren haben sich DNA-Reihenuntersuchungen als kriminalistisches Mittel zunehmend etabliert und kamen mehrfach zur Anwendung. Die weltweit erste erfolgreiche DNA-Reihenuntersuchung fand in Deutschland statt: 1994 wurden im Rahmen der Ermittlungen zu einem Mordfall in Hessen DNA-Proben von über 1800 Personen genommen. Auf diese Weise konnte schließlich der Täter ermittelt werden."

Florian Schimikowski 

Veröffentlicht am: 05.02.2021 (letzter Zugriff 6.12.2022)

 

Auch in Das Prinzip Mord wird eindrucksvoll deutlich, welche Rolle der DNA-Analyse bei der Aufklärung sogenannter Cold Cases zukommt:

 

In Hessen ist das Landeskriminalamt in Wiesbaden unter der Leitung von Dr. Harald Schneider für die DNA-Analyse zuständig. Im Jahr 2000 kontaktierte Dr. Schneider alle hessischen Mordkommissionen mit der Bitte, alle Cold Cases "mit Blick auf die DNA-Analyse zu überprüfen". Jahre alte Fundstücke aus den Asservatenkammern der Polizeidienststellen bzw. Staatsanwaltschaften wurden erneut untersucht und führten in einer Vielzahl der Fälle zur Identifizierung der Täter:innen viele Jahre nach ihrer Tat.

 

Auch in einem der im Buch geschilderten Fälle fanden die Ermittler:innen damals an den Kleidungsstücken eines weiblichen Opfers sowie an dessen Schamhaaren Spermaspuren, die viele Jahre nach der Tötung der jungen Frau durch die DNA-Analyse schließlich zur Überführung des Mörders geführt hat. 

 

Und zum Schluss noch ein weiterer Recherche-Tipp zu der Arbeit der Kriminaltechniker und darüber hinaus:

 

Der Dozent für Kriminalistik und Kriminaltechnik Ulf Steinert bietet auf seiner Webseite Kriminalistik einen tollen Überblick über die unterschiedlichsten Bereiche der Kriminalistik, Kriminaltechnik und Kriminologie mit hilfreichen Links und Videos.

 

Gastartikel rund um das Thema "Wahre Verbrechen" sind willkommen!

Sie sind Kriminalist:in, Krimi- oder Thrillerautor:in, Journalist:in ... und verfügen über spannendes, aufschlussreiches, wichtiges ... Wissen zu dem Themenbereich "Wahre Verbrechen"?

Möglicherweise gibt es etwas, dass sie uns Krimiautor:innen oder Leser:innen bzw. Zuschauern schon immer einmal mitteilen wollten?

 

Ihr Gastbeitrag ist in diesem Blog sehr willkommen!

 

Senden Sie mir einfach eine Nachricht mit Ihren Themenvorschlägen.

Ich freue mich darauf!

 

Sonja Wolfer :-)

Wenn dich das Thema Truecrime interessiert, lies gern auch meine Artikel "Ein Skelett berichtet live aus der Rechtsmedizin" sowie "Hinter Gittern: Leben und Arbeiten in einem Hochsicherheitsgefängnis - hautnah"

Wie sieht die Arbeit der Rechtsmediziner aus? - Ein Bericht über meinen Besuch der Kölner Rechtsmedizin gemeinsam mit den Mörderischen Schwestern am 9.12.2022.

Sehr spannend und extrem informativ!

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